Meine Ziele 2020

Transgermany 2020

Part VI: Im Land der Frühaufsteher

Durch­quert man Deutsch­land mit dem Auto, so wird man fest­stellen, dass am Rand der Auto­bahn an der Gren­ze jedes Bun­des­lan­des ein Schild ste­ht. Dieses teilt einem mit, in welchem Bun­des­land man sich nun befind­et gepaart mit einem kreativ­en Slo­gan. Sach­sen-Anhalt hat­te bis vor kurzem den Slo­gan: „Willkom­men im Land der Frühauf­ste­her.“ Und wie wir ler­nen soll­ten ist das kein Spass. Aber alles der Rei­he nach.
Mit einem neuen Ziel vor Augen hat­ten wir an diesem Tag einen ordentlichen Ritt vor uns. Über 130 Kilo­me­ter ging es heute bis an die Elbe in der Nähe von Dessau. Bes­timmt hat Sach­sen-Anhalt viele schöne Eck­en, die Magde­burg­er Börde mit ihrer recht monot­o­nen Agrar­land­schaft, schnurg­er­aden Land­straßen und unzäh­li­gen Wind­kraftan­la­gen zählt für mich eher nicht dazu.
Zu Beginn waren wir heute aus­nahm­sweise zu dritt. Schon kurz hin­ter unserem Zelt­platz stießen wir auf Daniel. Wie das so ist auf ein­er Radreise, fall­en einem natür­lich die anderen bepack­ten Räder beson­ders ins Auge. Und so kamen wir ins Gespräch. Er erzählte uns, dass er seine Job gekündigt, sich ein schick­es Reis­er­ad gekauft und nun auf den Weg in den Nor­den sei. Damit meinte er aber nicht etwa die Ost­see, son­dern eher Nor­we­gen. Wie lange das dauern würde, würde sich zeigen. Ihr seht also, es gibt Men­schen, die noch ver­rück­ter sind als wir. Wenn Ihr mal sehen wollt, was Daniel so treibt, unter www.daniel-brunner.ch find­et Ihr seinen Blog.
Nach­dem wir Ihn in Naum­burg ver­ab­schiedet hat­ten, ging es für uns weit­er Rich­tung Merse­burg. Es war ein­er dieser Tage, an denen man ein­fach nur Kilo­me­ter schrubbt. Tat­säch­lich ist das, will man in zwei Wochen Deutsch­land durch­queren, auch nötig. Lei­der bleibt dabei das Sight­see­ing auf der Strecke. So hiel­ten wir uns im schö­nen Merse­burg nur kurz auf, um aus­giebig zu Essen. Anschließend passierten wir Halle.

Kilo­me­ter­lang säumten Neubaublöcke unseren Weg. Mit einem zynis­chen Unter­ton stell­ten wir fes­ten, dass wir jet­zt wohl wirk­lich im Osten angekom­men seien. Zum Glück beste­ht die Stadt aber nicht nur aus grauen Hochhäusern. Die Innen­stadt ist tat­säch­lich sehr hüb­sch und ent­lang der Saale lässt es sich gut radeln.
Hin­ter Halle ging es wieder ein Stück bergauf. Zwar sind die Anstiege hier nicht so steil wie in den Mit­tel­ge­bir­gen, trotz­dem sam­melten wir auf­grund der Länger der Strecke ordentlich Höhen­meter — über 800 wür­den es heute wer­den.
Ab Kilo­me­ter 100 schal­ten man irgend­wann ein­fach nur noch auf Autopi­lot. Vor allem wenn die Land­straße gefühlt nur alle halbe Stunde eine leichte Biegung macht. Auf unserem Weg sahen wir kaum einen Men­schen und die Dör­fer wirk­ten teil­weise wie aus­gestor­ben. Der graue Him­mel tat sein übriges, um diese triste Stim­mung zu unter­stre­ichen.
Die let­zten Kilo­me­ter gin­gen wir tat­säch­lich ein wenig auf dem Zah­n­fleisch. Ger­ade rechtzeit­ig vor Laden­schluss erre­icht­en wir noch den let­zten Super­markt. Anschließend bogen wir in die unberührten Elbauen ab.
Wenn man nicht mehr kann ist das beste Heilmit­tel im Übri­gen Eis­tee und Nusss­choko­lade. Dabei ges­tand ich Robert auch, dass ich mich bei Kilo­me­ter 120 ver­fahren hat­te und wir dadurch fünf Kilo­me­ter mehr gemacht hat­ten als geplant. Zum Glück nahm er mir das nicht all zu Übel.
Kurz darauf erre­icht­en wir unser Ziel: eine Schutzhütte direkt mit Blick auf die Elbe. Sog­ar ein klein­er Strand war dort. Also sprangen wir noch beherzt in den Fluss, um uns von Schweiß und Son­nen­creme zu befreien. Nach dem Aben­dessen gesell­ten wir uns zu ein­er Gruppe Ein­heimis­ch­er, die es sich am Lager­feuer gemütlich gemacht hat­ten. Doch schon bald vie­len uns die Augen zu und wir schlu­gen das Nacht­lager auf.

Am näch­sten Mor­gen waren wir Bei­de sichtlich unaus­geschlafen. Nachts hat­te uns, neben ein­er Myr­i­ade von Ohren­beißern, noch ein ander­er Gast wach gehal­ten. Ein Waschbär fand unsere Abfälle sehr leck­er. Egal was man tat, das freche Vieh lies ein­fach nicht lock­er. Und so holte uns das Rascheln in anderthalb Meter Ent­fer­nung immer wieder aus dem Schlaf. Um kurz vor sechs Uhr mor­gens wur­den wir dann vom Geplap­per vor­beilaufend­er Spaziergänger geweckt. Diese hat in aller Her­rgotts­frühe nichts besseres zu tun, als hier im Nir­gend­wo ein Pick­nick zu machen — Sach­sen-Anhalt: Das Land der Frühauf­ste­her eben…
Gegen die mor­gendliche Müdigkeit half nur ein stark­er Kaf­fee. Anschließend ging es wieder auf die Räder. Die Elbe wür­den wir mit ein­er kleinen Fähre über­queren. Die war allerd­ings gar nicht so leicht zu find­en. Zum „Anleger“ ging es über plattge­tretenes Schilf zum Ufer des Flusses. Dort angekom­men mussten wir durch Winken auf uns aufmerk­sam machen. In aller See­len­ruhe set­zte der betagte Fährmann über, lies eine Rampe aufs plat­te Schilf herunter und nahm uns auf und mit hinüber.

Von Roßlau aus ging es nun immer weit­er Rich­tung Land Bran­den­burg. Mit jedem Wald den wir durch­querten, stieg in die Vor­freude. Es roch nach Kiefern­nadeln und der Boden war überse­ht mit Blaubeer­büschen. Auch Robert teilte mit mir diese Freude, schließlich hat er einen Großteil sein­er Jugend in Pots­dam ver­bracht. So verbinden wir bei­de einiges mit dieser Gegend.
Nach­dem wir die Lan­des­gren­ze passiert hat­ten, waren die restlichen 30–40 Kilo­me­ter bei strahlen­dem Son­nen­schein eigentlich nur noch Genuss­radeln. Als wir schließlich die Seen mein­er Heimat­stadt Bran­den­burg erblick­ten, war mir das Lächeln wie ins Gesicht gemeißelt. Es ist tat­säch­lich ein unbeschreib­lich schönes Gefühl, nach so vie­len Kilo­me­tern in die Heimat zu kom­men.
Nun ließen wir uns Zeit und macht­en noch einen kurzen Zwis­chen­stopp bei Schul­fre­un­den von mir. Nach ein­er Stunde ver­ab­schiede­ten wir uns wieder und gegen Abend kon­nte ich endlich meine Eltern in die Arme schließen. Bei einem kalten Bier, einem safti­gen Steak und einem gemütlich lodern­den Lager­feuer berichteten wir von unseren Erleb­nis­sen und plaud­erten noch bis in den späten Abend.
Wie es von hier­aus weit­er ging, erfahrt Ihr dann im näch­sten Beitrag.

Euer Felix