Meine Ziele 2020

Transgermany 2020

Part VII: Ein langer Ritt

Es war der 13. Tag unser­er Reise. Mit frisch geputzten Rädern standen wir im Garten mein­er Eltern. Den gestri­gen Tag hat­ten wir sehr entspan­nt ver­bracht. Tagsüber ging es ein wenig durch meine Heimat­stadt Bran­den­burg und abends schlu­gen wir uns die Bäuche mit Pas­ta und Burg­ern voll. Zum Abschluss saßen wir und meine Eltern mit einem Glas Wein am Lager­feuer und ließen einen entspan­nten Pausen­tag genüsslich ausklin­gen.
Wie sich her­ausstellen sollte war es eine weise Entschei­dung, diesen Pausen­tag in vollen Zügen zu genießen, denn was vor uns lag sollte kein Kinderge­burt­stag wer­den.
Unser Ziel war in 2 Tagen in Stral­sund zu sein. Das hieß jew­eils mehr als 120 Kilo­me­ter. Unser e erste Tage­se­tappe führte uns nach Wesen­berg im Herzen der Meck­len­bur­gis­chen Seen­plat­te. Zunächst ging es durch die ebene Bran­den­burg­er Hei­de. Bei strahlen­dem Son­nen­schein und über kaum befahrene Alleen kon­nten wir so richtig Kilo­me­ter schrubben. Bei Fehrbellin ver­lief der Rad­weg auf einem alten Bah­n­damm. Mit mehr als 10 Kilo­me­ter schnurg­er­a­dem Asphaltweg war das wohl das läng­ste Wegstück ohne eine einzige Kurve. So war es nicht ver­wun­der­lich, dass wir zum Mit­tag schon knapp 70 Kilo­me­ter hin­ter uns hat­ten. Mit Blick auf den Neu­rup­pin­er See, genossen wir sichtlich unser aus­giebiges Mahl.

Doch lange hiel­ten wir uns nicht auf. Schließlich hat­ten wir ger­ade mal die Hälfte geschafft. Der zweite Teil dieser Tage­se­tappe sollte jedoch etwas holperiger wer­den. An sich sind die Bran­den­burg­er Rad­wege sehr gut aus­ge­baut — wun­der­bar asphaltierte Wege mit guter Beschilderung. Lei­der haben die Plan­er die Rech­nung ohne die Kiefern gemacht. Die Bäume haben schein­bar ihre Freude daran, ihre flach wach­senden Wurzeln unter die Fahrbah­n­decke zu graben und so eine super Buck­elpiste zu schaf­fen.
So kamen wir gut durchgeschüt­telt in Rheins­berg an, wo wir uns zur Erfrischung ein Bier gön­nten und uns das hüb­sche Wasser­schloss ansa­hen. Von hier aus war es dann prak­tisch nur noch ein 20 Kilo­me­ter langer Katzen­sprung bis Wesen­berg. Und nach­dem ich meinen Heimat­mo­ment beim über­queren der Bran­den­burg­er Lan­des­gren­ze hat­te, war nun Robert an der Rei­he. Die let­zten Meter roll­ten wir also auf Meck­len­bur­gis­chem Hoheits­ge­bi­et.
Nach­dem wir unser Lager auf einem kleinen Zelt­platz aufgeschla­gen hat­ten, sprangen wir noch ins küh­le Nass. Tat­säch­lich ver­ste­ht man warum die Meck­len­burg­er Seen­plat­te so beliebt bei Touris­ten ist. Ver­steckt in einem kleinen Wald hat die Badestelle am großen Weißen See etwas sehr malerisches. Beson­ders, wenn man dann noch in der angren­zen­den Gast­stätte ein küh­les Getränk gere­icht bekommt und sich bei guter Haus­man­nskost die unterge­hende Abend­sonne auf die Nase scheinen lässt.

Am näch­sten Mor­gen waren wir etwas zer­mürbt von der Nacht unter freiem Him­mel und den Kilo­me­tern des Vortages. Aber unsere Moti­va­tion war unge­brochen. Schließlich wür­den wir, wenn nichts dazwis­chenkäme, heute Abend die Ost­see erre­ichen.
Wie aber schon mein Geo­gra­phielehrer sagte: „Es heißt nicht Nord­deutsches Flach­land, son­dern Nord­deutsche Tiefebene“. Wo da der Unter­schied ist? Nun abso­lut gese­hen mag man hier viel Näher am Meer­esspiegel liegen. Aber flach ist es hier bei weit­em nicht und auch viele kleine Hügel an einan­der gerei­ht, ergeben ein stat­tlich­es Höhen­pro­fil. Auch wenn sich die über 700 Höhen­meter dies­mal auf 140 Kilo­me­ter verteil­ten, so war die Strecke nicht zu unter­schätzen.
Aber noch etwas zeich­net Meck­len­burg-Vor­pom­mern aus. Mit 69 Ein­wohn­er je Quadratk­ilo­me­ter ist es das Bun­des­land mit der ger­ing­sten Bevölkerungs­dichte. Und das merkt man. Vor allem wenn man zum Mit­tag verzweifelt nach ein­er Möglichkeit zum Einkehren sucht. Wir waren schon kurz davor, unsere Notra­tion Spaghet­ti Bolog­nese anzureißen, da fan­den wir dann doch noch einen Imbiss. Glaubt mir, auf so ein­er Tour lernt man auch die ein­fach­sten Gerichte zu schätzen. Und so eine gute Por­tion Königs­berg­er Klopse ist schon was Feines.
Obwohl wir gut gesät­tigt weit­er fuhren merk­te man, dass bei uns bei­den langsam ein­fach die Puste raus war. Nach 14 Tagen auf dem Rad, lädt man die Akkus eben nicht ein­fach so mal wieder auf. Zumal wir um anzukom­men, kaum noch wert darauf legten irgend­wo anzuhal­ten und die Gegend zu genießen. Mit sink­enden Kräften wurde auch die Stim­mung etwas gereizter. Und je Näher wir der Küste kamen um so mehr nahm der Wind zu.

Und wie soll es auch anders sein, kam dieser wie immer von vorn. Selb­st unseren Gal­gen­hu­mor hat­ten wir irgend­wo zwis­chen Grim­men und Stral­sund nun rest­los aufge­braucht. So stram­pel­ten wir die let­zten Meter wie auf Autopi­lot schweigend und mach­mal auch mit ein paar Metern abstand nebeneinan­der und vor­einan­der her.
Nur eins gab Anlass zum Durch­hal­ten — am Hor­i­zont erblick­ten wir die Pylo­nen der Rügen­brücke. Auch wenn die Beine schmerzten die paar Meter wür­den wir auch noch schaf­fen. Und so war es dann auch. Es war bere­its abends, als wir über die mit Kopf­stein gepflasterten Straßen der Stral­sun­der Alt­stadt roll­ten. Vor­bei an alten Back­stein­häusern und dem imposan­ten Ozea­neum erre­icht­en wir schließlich den Hafen. Hier rei­hen sich nicht nur Segel­boote an einan­der, son­dern auch der ein oder andere Fis­chkut­ter.
Nach dem wir ein halbes Dutzend Mat­jes- und Bis­mar­ck­brötchen ver­drückt und das ganze mit Stral­sun­der Bier herunter gespült hat­ten, kamen langsam unsere Lebens­geis­ter und die gute Laune zurück. Nur ein Prob­lem gab es noch. Wo soll­ten wir schlafen? Tat­säch­lich hat­te Robert schon Bedenken, wir müssten uns irgend­wo ein Bett im Korn­feld suchen. Doch dann erin­nerte ich mich, an ein ruhiges Fleckchen Strand auf dem Dähn­holm. Das ist eine kleine Insel, die zwis­chen Stral­sund und Rügen direkt am Rügen­damm liegt. Und da Schlafen am Strand in Meck­len­burg nicht ver­boten ist, war unser Über­nach­tung­sprob­lem gelöst.
Wie zur Beloh­nung für all unsere Mühen, hat­ten wir an diesen Abend einen fan­tastis­chen Son­nenun­ter­gang. In weis­er Voraus­sicht hat­te Robert uns sog­ar noch zwei kleine Flaschen Rum besorgt. Und so stießen wir an, tranken aus und krochen völ­lig erschöpft in unsere Schlaf­säcke.

Euer Felix